Ein Film von Vincent Bauer 2016

"Teenage kicks, so hard to beat"
The Undertones, 1978

pferde

Dingolfing an der Isar (Niederbayern) ist eine der reichsten Städte Deutschlands. Sie ist Heimat des Automobilkonzerns BMW, der den 30.0000 Einwohnern 180.000 Arbeitsplätze anbietet. Vor den Reihenhäusern der Mittelschicht und den Villen auf den Hügeln über der Stadt ist der Rasen stets gemäht. Die Einwohner bleiben abends meist zu Hause vor dem Fernseher. Es gibt keine Theater, keine Galerien und keine Ausgehkultur.

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Dingolfing ist meine Heimatstadt und im Jahr 1993 eröffnete hier eine Bar mit dem Namen Strich8, die sich den lokal-eingesessenen Lebensentwürfen radikal entgegen stellte. Hier trafen sich all jene, die etwas anderes suchten als Kleiderordnungen, Türsteher, Rauchverbote und Getränke-Flatrates. Stammtisch-Mythen und die anarchische Atmosphäre verliehen der Bar schnell ein zwiespältiges Ansehen. So war sie zwar als Schläger- und Drogendisko verrufen, wurde gleichzeitig aber von ihren Anhängern aller Altersgruppen und Gesellschaftsschichten romantisiert und verehrt.


In der Disko kehrte sich die provinzielle Langeweile und bürgerliche Ordnung zu einem exzessiven Gegenentwurf um, der nicht auf einer kommerziellen Clubstrategie, sondern auf einem sozialen Miteinander basierte. Mehr als eine ganze Generation trank hier ihr erstes Bier, traf die erste große Liebe und entdeckte zum ersten Mal eine Welt jenseits von Blaskapelle, Fussballverein und Wirtshaus.

Im Jahr 2007 wurde das Strich8 von der Stadt geschlossen und für die Gäste ging nach 14 Jahren eine Ära zu Ende. Ich habe die letzten Wochen der Bar filmisch dokumentiert und das Material 10 Jahre später für meinen Abschluss-Film an der Universität für Angewandte Kunst verarbeitet.

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Im Film STRICH 8 geht es um die Suche nach Identität. Zum einen um die der Bar selbst, zum anderen um jene der Besucher. Man begleitet eine Szene in ihren letzten Atemzügen. Die Diskothek wird zur Metapher für die Jugend, für eine Zeit des Grenzen-Auslotens, der jugendlichen Auflehnung gegen das Establishment und schließlich zur Erinnerungsstütze für jene Orte, an denen der Zuschauer selbst einmal eine ähnlich-euphorische Zeit verbringen konnte.